Geflügelzuchtverein Garding u. Umgebung


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Interview mit Hr. Johan Mooij (a. d. TAZ)

Geflügelhaltung

„Stallpflicht ist kontraproduktiv“
Vogelgrippe tritt in Massenställen auf. Doch es hält sich die These, dass
Wildvögel das Virus übertragen. Gänseforscher Johan Mooij klärt auf. Johan
Mooij 65, Biologe, langjähriger Leiter der AG Gänseökologie und Vorstand des
Forschungsnetzwerks Aviäre Influenza.

taz: Herr Mooij, kann man absolut sicher sein, dass die Vogelgrippe nicht
durch Wildvögel übertragen wird?

Johan Mooij: Nein – es lässt sich nur mit 99,99 prozentiger Sicherheit
ausschließen.

Also doch eher ja?

Es gibt, trotz intensiver und ja mittlerweile jahrzehntelanger Suche keinen
einzigen Beleg dafür, dass jemals eine solche Übertragung passiert ist. Die
Ausbrüche sind in Biosicherheitsställen passiert, in die von außen so gut wie
nichts reinkommt. Was wir hingegen wissen, ist, dass beispielsweise über deren
Abluft Krankheitserreger nach draußen transportiert werden.

Dann wäre die Stallpflicht völlig sinnlos?

Nein, sie dient der Seelenruhe und sie zeigt, dass etwas getan wird.

Aber in der Sache?

Auf die Ausbreitung der Krankheit hat sie keine Auswirkungen. Da ist sie sogar
kontraproduktiv: Die Vogelgrippe tritt in industriellen Ställen auf. Diese
Betriebe bleiben völlig unbehelligt – und werden für Verluste aus der
Tierseuchenkasse entschädigt. Die tierfreundlicher arbeitenden
Freilandproduzenten aber werden bestraft.

Aber das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) hat doch bereits eine mit H5N8
belastete Krickente gefunden …

Ob dieser Befund so eindeutig ist, ist fraglich!

Inwiefern?

Soweit ich es weiß, ist eine Gruppe von Enten, die hier und da geschossen
worden sind, ins FLI transportiert und dort beprobt worden. Diese Vögel können
bei der Jagd überall gelegen haben und wurden nicht einzeln, sondern in
irgendeinem Sammelbehälter transportiert. Eine von diesen Proben war dann
zwar positiv, aber es kann durchaus sein, dass der Vogel erst nach seinem Tod
mit H5N8 kontaminiert wurde.

Also beispielsweise aus dem Boden?

Vor allem fehlt jede Gegenprobe: Es ist nur eine einzige Probe von dieser Ente
analysiert worden. Und diese eine Probe zieht eine solche Kette von Reaktionen
nach sich.

Weil die Politik dem FLI folgt: Robert Habeck, der grüne Agrarminister in
Schleswig-Holstein, hat es als „wahrscheinlich“ bezeichnet, dass
Wasservögel das Virus übertrügen.

Wenn das ein Politiker sagt, wundert mich das nicht: Politiker haben meistens
wenig fachliche Ahnung. Die sind da, weil sie eine politische Funktion haben
und sie sollen ein Ministerium leiten. Das heißt doch noch lange nicht, dass sie
die Materie beherrschen. Sie müssen schon ein Stück weit auf das vertrauen,
was man ihnen sagt.

Aber das ist doch das Problem?

Das Problem ist: Das FLI bleibt bei der These, dass Wildvögel dieses Virus
transportieren und auf Kulturvögel übertragen würden, ohne dass es dafür einen
einzigen Beleg gäbe. Vor acht Jahren hatten wir exakt dieselbe Diskussion wie
jetzt. Da hat auch das FLI dieselbe Position vertreten wie aktuell.

Das ist nur konsequent.

Mittlerweile gibt es aber sehr viele Untersuchungen – auch in anderen Teilen der
Welt. In den USA etwa, wo Millionen Wildvögel untersucht wurden: Nie wurde
ein hochpathogenes Vogelgrippe-Virus gefunden. Oder in Asien, in Südkorea,
Japan und China: In China hat man sechs Enten gefunden, die hochpathogene
Vogelgrippen-Viren hatten.

Also doch?

Nein, selbst diese sechs Enten taugen nicht zum Beleg der Wildvogelhypothese.
Ich war vergangene Woche am Poijang-See, wo diese Enten gefunden wurden.
An den Ufern werden viele Enten gezüchtet. Die Forscher, die diese infizierten
Tiere untersucht haben, wussten nicht, wann die Tiere das Virus aufgenommen
hatten. Wahrscheinlich hatten sie sich ganz frisch infiziert und wirkten deshalb
noch weitgehend gesund.

Das wäre dann aber ein Beleg dafür, dass es doch möglich wäre?

Das ist völlig unwahrscheinlich: Hochpathogene Viren sind bei Wasservögeln
nur bei toten oder sterbenskranken Tieren festgestellt worden. Das ist ja auch
klar: Wenn wirklich ein Wildvogel diese Krankheit hat, hat er ein Problem mit
seinen Atemwegen und dem Darm, dann scheidet er vermehrt Schleim ab …

… und kann dann auch nicht fliegen?

Genau. Ein Vogel, der fliegt, muss seinen Stoffwechsel verzehnfachen, die
Menge Sauerstoff, die er benötigt, geht um das fünf- bis achtfache hoch. Ein
vogelgrippekranker Vogel mit angeschlagener Lunge voll Schleim kann nicht
fliegen. Der kann weder die notwendige Menge Sauerstoff aufnehmen noch hat
er die nötige Kraft: Im Stall kann er dann vielleicht noch in der Ecke hocken und
überleben. In der Wildbahn kommt dann aber der Fuchs, die wildernde
Hauskatze, oder der Bussard – und beendet die Geschichte.

Aber warum sollte das FLI sowas verbreiten?

Das ist die große Frage. Manchmal verrennt man sich ja in eine Idee und hängt
dann irgendwann soweit aus dem Fenster, dass man den Kopf nicht mehr
zurückziehen kann, ohne das Gesicht zu verlieren. Wahr ist aber auch: Dem FLI
hat 2006 die ganze Aktion mit H5N1 finanziell nicht geschadet. Die Politik hat
danach viele Gelder freigegeben und das FLI hat sehr viele Aufträge bekommen.
Rein menschlich könnte auch so etwas eine Rolle spielen, das Gleiche noch
einmal zu probieren.

Ein harter Vorwurf!

Wenn ich eine Behauptung aufstelle, muss ich irgendwann auch mal ein paar
Belege dafür finden. Ich kann also nicht im Jahr 2005 eine Hypothese aufstellen
über die Wildvögel, diese 2014 noch einmal wiederholen – obwohl in der
Zwischenzeit gar keine Anhaltspunkte gefunden worden sind, die sie erhärtet
hätten. Insofern: Ich weiß wirklich nicht, was in den Leuten vom FLI vorgeht.
Ich weiß nur: Was sie verkünden, ist wissenschaftlich nicht haltbar.


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